Wie bereits in Abschnitt 5.2 dargelegt, kann die Änderung der detritischen Zusammensetzung durch eine Änderung des Windfeldes erklärt werden - was aber verursacht den stagnierenden Wasserkörper? Um zu verstehen, wie es zu einer geschichteten Wassersäule kommt, soll zunächst ein Modell der Tiefenwasserzirkulation im westlichen Tethysbereich skizziert werden.
Im folgenden soll das Gebiet zwischen Spanien und der apulischen Platte vereinfachend als West-Tethys bezeichnet werden. Dieser Tethys-Bereich liegt zur Zeit des Apt/Alb im Bereich des nördlichen Wendekreises an der Grenze zwischen tropischem und subtropischem Klima (Abb.6.3 und Abschnitt6.1). Die den nördlichen Teil der West-Tethys umschließenden, subtropisch gelegenen Landmassen tragen nur geringe Mengen kontinentalen Süßwassers in die West-Tethys ein. Aufgrund der starken Insolation und der trockenen Passatwinde werden hier sehr hohe Verdunstungsraten erreicht, so daß schweres Salzwasser produziert wird. Dieses nördliche Salzwasser ist deutlich schwerer als das Wasser des südlichen Bereichs, der noch unter tropischem Einfluß steht und mit dem Atlantik in Kontakt ist. Dieser Dichte-Unterschied könnte ausgereicht haben, eine Nord-Süd-Zirkulation in Gang zu halten, bei der sauerstoffreiches Tiefenwasser in der nördlichen Tethys produziert wird (s. Abb.5.4).
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Die GCM-Rechnungen für das Cenoman zeigen, daß sich während des Sommers auf der Nordhalbkugel Hitzetiefs über den Landmassen von Nordamerika und Ost-Asien bilden und die innertropische Konvergenz-Zone (ITC) im Bereich von Nordafrika bis zum 15. Breitengrad nach Norden wandert (s. Abb. 2a in Price et al., 1995). Da sie auch östlich von Afrika noch nördlich des Äquators liegt, kommt es hier zum großräumigen Übertreten der Südostpassate über den Äquator. Zusammen mit dem Tiefdrucksystem über Nordafrika erscheint es denkbar, daß diese Südostpassate gelegentlich bis in das Gebiet der West-Tethys vordringen konnten.
Die von Süden kommenden feuchtwarmen Luftmassen (Monsun) senken aufgrund der erhöhten Luftfeuchtigkeit die Verdunstungsrate über dem Meer. Gleichzeitig steigen die Niederschlagsmengen auf den umliegenden Landmassen, so daß das Oberflächenwasser mit leichtem Süßwasser angereichert wird. Hält diese Wetterlage lange genug an, kommt es zu einer Dichte-Inversion der Wassersäule (s. Abb.5.5).
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Modellrechnungen zeigen, daß bereits wenige Monate ausreichen können, um eine Dichte-Inversion zu etablieren (Jewell, 1993). Je nach Häufigkeit und Dauer der Monsun-Ereignisse sollten sich in den Tonsteinen des Flysch-Gault daher solche kurzen anoxischen Phasen bemerkbar machen.
Die unter dem Fluoreszenzmikroskop zu erkennende Lamination der schwarzen Tonsteine im Jahres- bis Zehnerjahres-Bereich bestätigt diese Sichtweise (s. Abb.4.3). Die Corg-reichen Lagen entsprechen hierbei den Jahren mit starken Monsun-Niederschlägen, während die vorwiegend mineralischen Lagen Jahren mit normalen Klimabedingungen entsprechen. Die Bitumenimprägnierung der Matrix läßt aber auch diese Laminae schwarz erscheinen, so daß der gesamte Schwarzschiefer als eine homogene Lage erscheint.
Die Schwarzschiefer werden daher als Phasen mit einer verstärkten Neigung zu starken Mosun-Ereignissen interpretiert. Die Stagnationsphasen haben hierbei in der Regel nur wenige Jahre gedauert und wurden von ebenso kurzen Phasen abgelöst, in denen das Tiefenwasser wieder regeneriert werden konnte. Dieser hochfrequente Wechsel löst auch das Dilemma, daß stagnationsbedingte Schwarzschiefer-Phasen nicht viel länger als 1000 Jahre dauern können, da dann die anti-ästuarine Zirkulation einsetzt. (s. Abb.5.6).
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Die Dominanz des mit der Zeitreihen-Analyse bestimmten und vermutlich der Bahnschiefe entsprechenden 52 cm-Maximums erscheint für ein tropisch/subtropisches Sediment erstaunlich, da in diesem Bereich das Präzessions/Exzentrizitäts-Signal dominieren sollte (Berger, 1978a,b). Tatsächlich zeigen Zeitreihen-Analysen des ungefähr gleichalten ,,Piobbico Core`` von der benachbarten Apulischen Plattform ein deutliches Maximum bei 92.5 und 115.7 ka, während das 40 ka-Maximum fehlt.
Zur Erklärung dieses Umstandes wird folgende Lösung vorgeschlagen: Der Einfluß der Bahnschiefe wird in Breitengraden oberhalb von 40o zum bestimmenden Faktor (Berger, 1978a; van Woerkom, 1953). Da der Monsun durch die kontinentalen Hitzetiefs der Nordhemisphäre kontrolliert wird, und diese in der mittleren Kreide vermutlich zwischen dem 30. und 40. Breitengrad Nord lagen (Price et al., 1995), ist es vorstellbar, daß die Monsun-Dynamik durch die Bahnschiefe und nicht durch Präzession beeinflußt war.